Bob Dylan – Interpret des Zeitgeistes

Es kommen andere Zeiten (The Times They Are A-Changin’)

Bob Dylan – Interpret des Zeitgeistes

Nach den Lehren der Esoterik wird das, was wir „Zeitgeist“ nennen, durch interkosmische Strahlen verursacht, die auf die Menschheit einwirken und Impulse für ihre Entwicklung geben. Nur wenige besitzen die Fähigkeit, diese Strahlen direkt wahrzunehmen und in ihrer Eigenart zu erkennen, aber die Mehrzahl der Menschen reagiert auf sie, und so sind die Zeichen eines sich entwickelnden Zeitgeistes kaum zu übersehen.

Ein markantes Beispiel für diese Zeichen sind die Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts: Die damaligen Teenager und die Zwanzigjährigen – die Generation also, die heute „die Babyboomer“ genannt wird – hielten die etablierte Ordnung für überholt. Vor allem in den Studentenbewegungen wurde Partizipation und Demokratisierung gefordert. Die Lust am Protest ging Hand in Hand mit einem großen Optimismus für die Zukunft, der sich in der Flower-Power-Bewegung und in einem Lied aus dem Musical Hair (1967) widerspiegelte, das zum Nummer-Eins-Hit wurde: Aquarius/Let the sunshine in.

Es gab eine regelrechte Explosion jugendorientierter Musik – der Popmusik. Die Beatles, die 1962 mit Love me do den Durchbruch schafften, sind das unbestrittene Aushängeschild dieser neuen Musik. Auch die musikalische Karriere von Bob Dylan begann 1962. Am 2. Juli 1962 spielte der damals einundzwanzigjährige Dylan sein Let me die in my footsteps (Ich will aufrecht sterben):

Vom Krieg wird geredet, die Vergangenheit beschworen,

Und das Leben habe jeden Sinn verloren,

Und manche sehen schon alles in Scherben,

Statt leben zu lernen, lernen sie sterben,

Ich will aufrecht sterben,

Bevor ich unter der Erde verschwinde.

In denselben Jahren wiesen die Rosenkreuzer (Jan van Rijckenborgh und Catharose de Petri) auf ein neues interkosmisches Strahlungsfeld hin, das unsere Welt umfasst und eine ausreichende Intensität und Spannung erreicht hat, um wahrnehmbare, sichtbare, nachweisbare Wirkungen zu erzeugen; Wirkungen, die in ihrem Kontext eine vollständige Umwandlung der Welt und der Menschheit auslösen werden, und dies in einem Zeitraum von relativ wenig Jahren.

Sie strebten danach, eine Seelengemeinschaft vieler Gleichgesinnter herbeizuführen. Das Lied The Times They Are A-Changing (Es kommen andere Zeiten), das Bob Dylan am 26. Oktober 1963 zum ersten Mal spielte (siehe Auszüge im Kasten), klingt fast wie ein wörtliches Echo des Rufs, der einige Monate zuvor im Rosenkreuzer-Konferenzzentrum Renova in den Niederlanden erklang. Bis zum 14. August 2009 spielte Dylan dieses Lied 633 Mal live. Es wurde als Single veröffentlicht und ist auch auf 18 LPs von Dylan zu finden und wurde millionenfach in der Welt verbreitet. Millionen Menschen haben zumindest Teile dieses Textes im Kopf.

Rückblickend ist der Titel des Liedes eindeutig prophetisch: die Zeiten haben sich schnell und drastisch geändert. Das Anbrechen „eines neuen Tages“ schürte Aufruhr, rüttelte das Sozialsystem auf und vermittelte das Gefühl, dass die große Möglichkeiten für ein neues Miteinander vorhanden sind: Ja, können wir es! Die Sonne des Idealismus und Optimismus vertrieb dunkle Wolken des konservativen und materialistischen Denkens auf.

Dylan besingt in seinem umfangreichen das Vergängliche und Relative des Lebens. In Like a Rolling Stone (Wie ein rollender Stein) aus dem Jahr 1965 skizziert er das Schicksal einer stolzen Dame aus wohlhabenden Kreisen, die nicht mehr weiter weiß. Hoffnungslose Einsamkeit und Trostlosigkeit erklingen im Refrain:

Wie findest du das,

So vollkommen allein,

So anonym zu sein

Wie ein rollender Stein?

Im Jahr 1964 finden wir in It’s Alright, Ma (Ist schon gut, Ma) als eine Art Variante zum Buch Prediger (Altes Testament) die Zeilen:

Ich geh in Handschellen, geh fast daran ein,

Strample und trete, um mich zu befrei’n,

Sag: na gut, ich geb auf, lass sein.

Was kannst du mir sonst noch geben?

Das Lied All Along the Watchtower (Oben auf dem Wachturm) von 1965 beginnt mit dem Herzensschrei

Hier muss es doch einen Ausweg geben

und sagt dann

Es sitzt hier unter uns gar mancher, der meint,

das Leben sei nur ein Witz.

Doch du und ich, wir kennen das, und unser Schicksal ist das nicht.

Der Song Queen Jane Approximately (Queen Jane, ungefähr) von 1987 spricht davon, wie sich die Dinge ständig wiederholen und vom Überdruss:

Wenn du deiner selbst und deiner Kreationen leid bist, …

Und er spricht von der Vergänglichkeit:

Der Duft ihrer Rosen stellt sich nicht mehr ein,

und davon,

dass du drastischere Schritt unternehmen sollst.

Es gibt definitiv einen „Ausweg“, ein Hinwegkommen über Wiederholung, Langeweile und Verfall. Aber es erfordert eine drastische Entscheidung, von innen heraus, eine klare Hinwendung zu einem neuen Schwerpunkt, wie Jan van Rijckenborgh und Catharose de Petri es 1963 formulierten.

Dylan gehörte zu denen, die spürten: „Es kommen andere Zeiten“. Seine Botschaft und seine Vision eines neuen Miteinander kamen aus der Mitte der Bewegung, die sich damals erhob. Sie kamen „von innen“. Diese Generation ist inzwischen ergraut. Aber auch heute noch, und auch wieder neu, gilt die Vision:

Kommt näher, ihr Leute,

Wo immer ihr seid

Und gesteht, dass rings um euch

Die Flut höher steigt

Und findet euch damit ab,

Bald klatschnass zu sein.

Wenns euch drum geht,

Nochmal davon zu kommen,

Dann fangt besser an zu schwimmen,

Oder ihr sinkt wie ein Stein,

Denn es kommen andere Zeiten.

 

Denn noch dreht sich das Rad,

Und wer weiß, auf wessen Namen

Es am Ende wird zeigen.

Denn der Verlierer von heute

Wird der Gewinner von morgen sein,

Denn es kommen andere Zeiten.

 

Kommt, Mütter und Väter

Im ganzen Land

Und kritisiert nicht, was

Euch geht über den Verstand.

Eure Söhne und Töchter

Sind euch davongerannt.

Mit eurem alten Weg

Könnt ihr nur scheitern.

Bitte versperrt nicht den neuen,

Wenn ihr nicht mit anpacken könnt,

Denn es kommen andere Zeiten.

 

Die Linie ist gezogen.

Der Fluch ist gesprochen.

Wer heut noch gekrochen,

Der kommt morgen geflogen.

Was heute noch gilt,

Das hat morgen verspielt.

Die Reihenfolge ändert sich

Und kommt rasch ins Gleiten.

Der Erste von heute

Wird einmal der Letzte sein.

Denn es kommen andere Zeiten.

(The Times They Are A-Changin‘)

 

 

Die deutschen Nachdichtungen stammen von Carl Weissner und Walter Hartmann in: Bob Dylan Songtexte 1962-1985, Verlag Zweitausendeins, 1987

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Datum: März 12, 2020
Autor: Johan van der Cammen (Netherlands)
Foto: openClipart-Vectors via Pixabay

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