Alchemie – Ein Weg zum Gold des Innern Teil 3

Die siebte Etappe: der Stein der Weisen

Alchemie – Ein Weg zum Gold des Innern Teil 3

Die siebte Phase des Weges der Alchemie ist die Coniunctio (Verbindung) – auch die „Taufe mit dem Geist“ genannt.

Diese „Verbindung“ ist das Ergebnis aller vorhergehenden dynamischen Transformationsphasen, die vielfach durchlaufen werden. Sowohl in alchimistischen Laboratorien als auch in unseren internen Prozessen wird zwischen sogenannten „kleinen“ und „großen“ Konjunktionen unterschieden.

Die kleine Coniunctio führt zu der Verbindung zwischen den polaren Kräften, zur Harmonisierung der Gegensätze, in der alchimistischen Terminologie des Quecksilbers und des Schwefels. Auf spiritueller Ebene werden die Gegensätze, die die Bewegung der äußeren Formen erzeugen, zu komplementären Kräften. Das Ergebnis ihrer Einheit ist der sogenannte Stein der Weisen, der durch „Färben“ („Tingieren“ oder Verwandeln in Gold) das Werk vollendet und in allem, was mit ihm in Kontakt kommt, den Transformationsprozess einleitet. Man spricht auch vom Elixier des Lebens, das alle Krankheiten heilt. Durch die kleine Coniunctio wird die Seele für die endgültige Verbindung mit dem göttlichen Geist zubereitet.

Der Stein der Weisen und das Elixier des Lebens bezeichnen zwei verschiedene Aspekte dieses Prozesses, die man „männlich“ und „weiblich“ nennen könnte. Der Stein ist der spirituelle Same und das Elixier die spirituelle Basis für ihn. Im Christentum wird die Wechselwirkung zwischen den beiden durch den Heiligen Geistes und die Jungfrau Maria (die „reine Materie“) dargestellt. Die Jungfrau empfängt den Geist. Jesus erklärt dies Nikodemus als „Wiedergeburt aus Wasser und Geist“ (Joh. 3).

In diesem Zusammenhang wurden im Mittelalter viele Stiche angefertigt, die die Hochzeit eines Königs und einer Königin darstellen. Johann Valentin Andreae veröffentlichte hierzu 1616 das Werk Die alchimische Hochzeit des Christian Rosenkreuz. Die Vorstellung von dem Bräutigam (Christus) und der Jungfrau (der Seele) nimmt auch im Neuen Testament einen zentralen Platz ein.

Die große Coniunctio, die nur in der Hohen Alchemie möglich ist, ist die endgültige Vereinigung der Seele mit den unveränderlichen, ewig schöpferischen Kräften des Geistes. Sie spiegelt sich in den Worten Christi wider, in denen er deutlich macht, dass er und der Vater eins sind (Joh. 17, 22).

Die Verbindung der Alchemie mit dem Neuen Testament mag für manche überraschend klingen, aber man kann die Evangelien, die Apostelgeschichten und die Offenbarung des Johannes als tief alchimistische Werke ansehen. Sie sind die wichtigsten Texte der westlichen Welt, die zur Transformation der Seelenqualitäten („Metalle“) führen können. Die konkreten Beispiele dafür sind wahrscheinlich zahllos. Im Lichte der oben beschriebenen sieben Phasen kann sie jeder selbst entschlüsseln.

Der Coagulatio entspricht im Evangelium die Auferstehung. Der siebenfache Prozess wird in der Offenbarung des Johannes mehrfach hervorgehoben: einmal durch die sieben Siegel und dann durch die Briefe an die sieben Gemeinden Asiens. Im zweiten Petrusbrief werden die sieben Phasen des Einweihungsweges kurz zusammengefasst: „So wendet allen euren Fleiß daran und beweist in eurem Glauben Tugend und in der Tugend Erkenntnis und in der Erkenntnis Mäßigkeit und in der Mäßigkeit Geduld und in der Geduld Gottesfurcht und in der Gottesfurcht brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe die Liebe zu allen Menschen.“ (2. Petrus 1, 5-7). Die folgenden Worte von Paulus in seinem Brief an die Epheser (Kap. 2, 13-15) könnten nicht alchimistischer sein und die Coniunctio vollständiger beschreiben: „In Christus Jesus aber seid ihr jetzt, die ihr vormals ferne gewesen seid, nahe geworden durch das Blut Christi. Denn er ist unser Friede, der aus beiden eines hat gemacht und hat abgebrochen den Zaun, der dazwischen war, nämlich der Feindschaft, indem er in seinem Fleische hat abgetan das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen, auf dass er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schüfe“. Wir können auch seinen bekannten Ausspruch hinzufügen: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg“ (1. Korinther 15; 55).

Auch einer der größten Mystiker, Jakob Böhme, erklärte im 17. Jahrhundert, der Stein der Weisen sei der Geist Christi, der in die Seele des Einzelnen eindringen müsse.

Der Weg von Bethlehem nach Golgatha entspricht dem Weg der Transformation und beschreibt die Nigredo-Albedo-Rubedo-Prozesse als Brücken im Leben Jesu zwischen den Phasen Taufe, Verklärung, Tod am Kreuz und Auferstehung. Der Prozess spiegelt sich auch in folgenden Charakteren wider: Herodes entspricht dem machtgierigen Ego (einschließlich des spirituellen Ego); Johannes, der in der Wüste lebt, ist Symbol der Reinigung, er kommt, um „die Wege des Herrn recht zu machen“; Jesus, die reine Seele, wird geboren von einer Jungfrau in der Krippe des Herzens; er bildet die Basis für den Christus, den Sohn Gottes.

Die Alchemie ist also ein weites Feld. Aber keine Information über dieses oder ein anderes spirituelles Thema kann uns weiterhelfen, wenn wir sie nicht in unseren Herzen, Köpfen und durch unsere Hände verinnerlichen und umsetzen.

Der zentrale lateinische Satz, der die Alchemie zusammenfasst, lautet: Solve et coagula, übersetzt als „Löse und binde“. Es ist eine Formel, die in allen Phasen des Prozesses Gültigkeit hat. Man könnte sie als einleitende Aufforderung zu einem Weg, wie ihn die Alchemie beschreibt, so formulieren: „Löse das Problem, vor dem du stehst und gewinne die Fähigkeit der Unterscheidung“. Nur ein höheres Unterscheidungsvermögen kann uns die Augen öffnen, welche Lebenswege uns möglich sind.

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Datum: Juni 29, 2019
Autor: Ventsislav Vasilev (Bulgary)
Foto: Pixabay CCO

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