Erwachsen werden – und dann die Jugend

Erwachsen werden - heißt das nicht, in die ewige Jugend einzutreten?

Erwachsen werden – und dann die Jugend

Das Leben ist kein linearer Prozess mit einem Start und einer Ankunft. Immer wieder begegnete mir in meinem Leben etwas Neues, mal als ein Angebot, mal als ein Richtungswechsel und dann auch wieder als neue Einsicht. Es war wie bei einem Feuer, das in bestimmten Momenten aufflammte. Neue Bücher, neue Leute, neue Späße und Kommentare über mein Verhalten, manchmal bitter, manchmal hilfreich. Freundschaften lösten sich, neue entstanden … und endeten wieder. Bis sich – unerwartet – eine Tür öffnete, die von anderer Art war.

Eine Lebensmöglichkeit zeigte sich, wie ein Faden, der mich einlud, ihm zu folgen. Das tat ich denn auch … und das, was kam, war nicht immer so, wie ich es gern gehabt hätte. Ich dachte oft, dass ich jetzt einen Punkt setzen müsste, einen Schlussstrich, doch dann machte ich nur eine Art Komma. Und was ist nun, nach den vielen Jahren? Mein Leben ist weiter gegangen, vielleicht haben sich einige Grenzen erweitert …

Immer war das dabei, was wir “ich” nennen, mit allem, was damit verbunden ist: ein Kaleidoskop um mich herum, mal eine Art Schlachtfeld, mal ein Höllenfeuer, dann wieder eine schöne Landschaft mit Heimatgefühl, und mitunter eine Wahnsinnsflucht, irgendwohin.

Kommen und Gehen, Reise und Ankunft – Leben ist eine Wegstrecke. Aber wenn ich zurückschaue, erkenne ich etwas Merkwürdiges. Kindheit, Jugend, Zeit der Reife, sie gehören zu mir, aber sie scheinen nicht wichtig zu sein, aktuell, vom jetzigen Moment aus. Alles scheint wie zusammengezogen, wie auf einen Punkt konzentriert. Die vielen Momente meines Daseins, was ist mit ihnen? Ein Begriff taucht auf, der sie alle umfasst: „vorbei“.

Sicher, es gibt Essenzen, sie haben etwas hinterlassen. Aber noch besser scheint es, gar keinen Namen für sie zu suchen. Denn ich bin „jetzt“, im Heute, und das erlebe ich als immer neu, als einzigartig.

Als Wink der Ewigkeit. Im Bruchteil einer Sekunde kann ich mir meines ganzen Wesens bewusst werden. Als ein Gast? Ein Zuschauer? … oder als ich selbst? Leicht unsicher, weiche der Antwort aus, aber etwas in mir „weiß“.

Diese Flamme in mir, in meinem Kern. Sie ist mir anvertraut, ich bin ihr Träger. Sie leuchtet in das Kaleidoskop um mich herum. Und gegen alle Vernunft, gegen jeden common sense, begleiten mich Sicherheiten und ebnen mir den Weg: ich werde geführt, bin beschützt. Sie ist schon fast chronisch, diese Euphorie von Dankbarkeit.

Erwachsen werden – heißt das nicht, in die ewige Jugend einzutreten?

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Datum: Februar 3, 2019
Autor: Emiel Vanhuyse (Belgium)

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