Sind wir Marionetten?

Gibt es einen schöpferischen Plan, dem wir unterworfen sind?

Sind wir Marionetten?

Wenn ich mich an Momente in meinem Leben erinnere, in denen es nicht so lief, wie ich es mir gewünscht oder geplant hatte, erkenne ich im Nachhinein – manchmal erst Jahre später – dass es doch gut für mich war. Ich hätte es nicht besser planen können.

Dann habe ich das sichere Gefühl, dass es eine Führung in meinem Leben gibt. Je öfter ich ein solches Erlebnis habe, desto eher bin ich bereit, dieser Führung zu vertrauen, mich von ihr leiten zu lassen.

Doch wer oder was führt mich? Und wohin führt es mich? Gibt es darin Freiheit?

Wenn ich bewundernd eine Blume betrachte, die in ihrer vollen Blüte steht, vergesse ich für einen Moment, dass sie bald welken und verdorren wird. Sehe ich die verwelkte Blume, dann trauere ich vielleicht der vergangenen Schönheit nach.

Ist die Schönheit der Blume aber wirklich vergangen? Lebt sie nicht in der Matrix der Pflanze fort? Ihr Blütenstaub bereitet den Boden für neue Offenbarungen dessen, was in ihr angelegt ist. Der Bauplan für einen weiteren Bestand der Pflanze, ihres Pflanzentyps, ist in ihrer Mikrostruktur, in ihren Molekülen anwesend.

Es ist immer nur eine Momentaufnahme, was ich mit den Augen und den anderen Sinnen wahrnehme. Die Pflanze offenbart, dass ein Plan, ein Schöpfungsplan in ihr angelegt ist. So muss es auch mit mir sein, mit meinem Mikrokosmos (meinem unsterblichen „Seelenhaus“), wenn man das Gesetz der Wiedergeburten annimmt. Dem Weiterbestehen in neuer Offenbarungsgestalt liegt dann ebenso ein Plan zugrunde, die Anlage eines Typs, die in allen Körperzellen und der atomaren Struktur als Information inhärent ist.

Ist dies ein automatischer Prozess?

Lebe ich wie ein Roboter, auch wenn das, was ich tue, sich so anfühlt, als hätte ich es selbst geplant und gewollt?

Die Freiheit nimmt zu, je mehr ich zu mir selbst gelange

Gemäß dem Schweizer Rückführungstherapeuten Alexander Gosztonyi bekommt jede Seele Impulse aus dem göttlichen Geist, die in ihr Spannungen hervorrufen und sie zu einer Reaktion zwingen. Der Geist ist aktiv und impulsgebend, die Seele ihm gegenüber passiv-reaktiv. Sie sucht nach Wegen, angesichts der Impulse des Geistes wieder Entspannung zu erlangen. Der Wille zur Selbstverwirklichung ist in ihr angelegt – als ein Aspekt des Geistes. So hat sie Entscheidungsmöglichkeiten, die so weit reichen, wie ihr Erkenntnisvermögen reicht. Sie kann, wie viele Menschen es tun, „Schutz“ vor den Impulsen des Geistes suchen, kann sich ablenken und vor ihnen abschirmen, kann einen anderen Weg einschlagen.

Wir sind also nicht Marionetten; wir befinden uns auf einem Weg, auf dem Freiheit zunimmt, je mehr wir zu uns selbst gelangen. Und das bedeutet: zu unserer geistigen Mitte gelangen, zum Geist.

Gosztonyi führt aus:

Damit die Seele Geistigkeit erwerben kann, muss sie schon etwas Selbstständigkeit erlangt haben und zur Selbsttätigkeit fähig sein. Sie wird erst dann in höherem Maße dazu fähig, wenn sie der Wirkung des Geistes nicht mehr bloß passiv ausgesetzt ist und daraus lediglich Nutzen zieht, sondern wenn sie imstande ist, die Rolle des Geistes – bis zu einem gewissen Grad – selbst zu übernehmen und bewusst aktiv zu werden. Dafür muss sie der Wirkung des Geistes in sich immer mehr Raum geben, sich ihr mit steigender Bewusstheit öffnen. Dies ist allerdings keine Frage des guten Willens oder genügender Anstrengung, sondern eine Frage der inneren Reife.

Die Zunahme an innerer Reife bedeutet immer auch die Erweiterung jener Dimension, welche die Seele der Wirkung des Geistes einzuräumen imstande ist. Seelisches Wachstum besteht in erster Linie in der Zunahme an Geistigkeit.

Mit steigender Geistigkeit erhöht sich auch die geistige Vitalität des Menschen und die Dimension seiner inneren Freiheit dehnt sich aus.[1]

Demnach gibt es beides: einen Plan Gottes und die Freiheit der göttlichen Seele, diesen Plan selbstschöpferisch zu verwirklichen und schließlich selbst Schöpfer zu werden.

Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist (Matthäus 5, 48).

Je nach meinem Reifegrad in der spirituellen Entwicklung teilt sich mir der Plan durch die göttliche Seele mit. Nach jedem vollzogenen Schritt erschließt sich eine neue Perspektive. Neben dem Wissen um den Plan ist meiner Seele auch die Kraft gegeben, mit erneuertem Bewusstsein an dessen Gestaltung mitzuwirken.

So kann ich meine Mitmenschen in ihrer aktuellen Gestalt wie Momentaufnahmen auf einem langen Weg sehen: in ihrer Tiefe jeder ein werdender Gott. Die Worte des Konfuzius Der Weg ist das Ziel zeigen sich mir in neuem Licht.

 

 

 

 


[1] Alexander Gosztonyi, Das große Buch der Seele: Evolution, Bewusstsein und transzendentale Intelligenz, Kapitel 19, Geist und Geistigkeit, Windpferd Verlag 2013

 

 

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Datum: Oktober 20, 2020
Autor: Anita Vieten (Germany)

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