Zwischen Lichtbringern und anderen

Wo finden wir unseren Standort zwischen denen, die die Finsternis verstärken und denen, die Licht in die Welt bringen?

Zwischen Lichtbringern und anderen

Wie finden wir den Schlüssel zum Verständnis dessen, was in unserer Zeit stattfindet, inmitten der Überfülle sogenannter Informationen? Wie können wir, wie kann ein junger Mensch den Blick auf die Welt richten, ohne sofort vereinnahmt zu werden von dem, was gerade passiert? Wie kann er den Glauben behalten an die Möglichkeit, den Sinn der Existenz finden?

Und: Wie kann eine Gemeinschaft suchender Menschen ihren Zweck erfüllen, die großen Existenzfragen, die Fragen der Sphinx, so aufleuchten zu lassen, dass sich Antworten abzeichnen? Antworten, die anwendbar sind in unserem Leben. Fast scheint es so, als würden die wirklich großen Fragen gar nicht mehr gestellt.

Jede Initiative, die aus tieferen Seelenebenen stammt, scheint unmittelbar erstickt zu werden. Jedes Ideal scheint angesichts der zahllosen Hindernisse des Ökonomischen, des Prestigedenkens oder einfach der Blindheit zu verpuffen. Bürokratie, Korruption, Gier, Skeptizismus, Degeneration, Apathie ersticken die Impulse neue Formen des Zusammenlebens herbeiführen wollen.

Welche Möglichkeiten stehen noch offen?

Es ist ein ermüdendes Spiel. Da sind die, die aus dem Mainstream ausgebrochen und zu neuen Ufern unterwegs sind, und da ist die große Menge derer, die die Augen und Ohren verschließt und die Tragik, in die wir verstrickt sind, nicht wahrhaben will. Welche Möglichkeiten stehen einem jungen Menschen, in dem noch Ideale lebendig sind, heute offen? Hätte er vor seiner Geburt gewusst, was ihn erwartet, wäre er dann hierher gekommen?

Unser individuelles und kollektives Karma stellt uns vor die Herausforderung, unser Schicksal in einer Welt anzunehmen, die sich in einer degenerativen Entwicklung befindet und deren Schönheiten vielfach durch Abgase und Halden von Müll verschleiert werden. Einer Welt, die ihre Weisheit im Innern derer verbirgt, die keine Möglichkeit finden, sie zur Auswirkung zu bringen angesichts der Macht anderer, die das Sagen haben.

Die Bedeutung, der Sinn unseres Lebens harrt darauf, neu durchdacht zu werden. Auch der Sinn unserer Kultur. Will sie uns wirklich dorthin führen, wohin wir gehen?

Was können wir eigentlich wissen?

Wir fragen uns: Was wissen wir über die Kräfte, die unsere Welt ausmachen? Die Physiker erklären, dass wir nur etwa vier bis fünf Prozent der im Weltall wirkenden Kräfte und Substanzen kennen. Angesichts dessen könnte es eine Anmaßung sein, überhaupt Zukunft zu planen. Aber es könnte auch anmaßend sein, von einem Niedergang zu sprechen, wenn man nur den letzten Vorhang kennt, der sich schattenhaft vor der Wirklichkeit aufspannt. Andererseits gibt es geistiges Licht, das überall scheint, auch wenn die Apparate und Berechnungen davon nichts mitbekommen. Dieses Licht enthüllt sogar Schönheit inmitten von Bergen des Abfalls. Und es geht der Impuls von ihm aus, den Sinn unseres Daseins zu ergründen.

Der Verdacht schleicht sich ein, dass wir uns in einer Prüfung befinden. Könnte es sein, dass uns die heutige Welt das widerspiegelt, was wir in den letzten Jahrtausenden versäumt haben? Nämlich das mutige und freie Suchen nach Sinn und Bedeutung und einem sich daraus ergebenden Lebensverhalten. Es scheint, als wollten uns die Umstände unserer Zeit zwingen, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

Wir waren in einer Selbsttäuschung befangen, einem Leben in Dualität, Kritik und Trennung. Und ich spüre, dass ich Mitverursacher bin, Mitschöpfer und nicht nur Opfer. Unbewusst ziehe ich die Situationen an, in denen ich meine Erfahrungen machen muss, in denen ich das lernen kann, was ich bislang versäumt habe. Solange ich damit beschäftigt bin, erlebe ich das einzig Notwendige noch nicht in seinem vollen Umfang: Liebe, die alles in mein Bewusstsein bringt und mich für alles mitverantwortlich macht.

Das Ursprüngliche ist immer noch da

Wir haben heute weitgehend vergessen, dass wir immer noch Ausdruck eines ursprünglich menschlichen Wesens sind, einer Seelenstruktur, die man „Mikrokosmos“ nennen kann. In ihr soll (und kann) der Mensch einmal als Ebenbild des Lichtes entstehen. In der Tiefe meines Herzens verspüre ich den Ruf dazu, kann ich die Strahlen des geheimnisvollen Lichtes aufnehmen, die alle Schichten meines Daseins durchdringen und mich innerlich bewegen. In mir dämmert die Erkenntnis, dass dieses Licht sich auch im Innersten aller anderen Menschen befindet. Wenn es in ihnen lebendig wird, wird notwendigerweise Einheit entstehen und das Schicksal der Welt sich verwandeln: vom Inneren ausgehend ins Äußere, vom Individuellen ins Kollektive. Diese Pole werden zur Harmonie gelangen.

Ich bin noch lebendig, erstaunlich lebendig in dem herrschenden Chaos. Vielleicht angeschlagen durch diese oder jene Krankheit, diese oder jene Gemütsbewegung. Aber doch am Leben. Wodurch wurden meine Schritte geleitet? Und die der vielen Weggefährten? Was wird von mir verlangt? Ich frage mich: Hat es überhaupt Sinn, den Dingen eine tiefere Bedeutung zu geben, wenn dies in meiner Umgebung doch niemand begreift? Die Antwort lautet: „ja“. Es ist sogar ein Muss, mehr vom anderen Menschen zu erkennen und mit ihm so umzugehen, als wäre er/sie ich selbst. Und ich habe eine Verpflichtung der Erde gegenüber. Sogar dem Sonnensystem, ja dem Universum gegenüber. Denn was „unten“ ist, gleicht dem, was „oben“ ist. Jedes Einzelne hat eine Auswirkung auf das Ganze. Was in einem geschieht, wirkt sich auf alles aus. Das Wissen der Physik und die uralte Weisheit des Hermes fließen hier zusammen.

Hier finde ich den Schlüssel

Darin liegt für mich ein Schlüssel. Alles, was in mir geschieht, geschieht auf irgendeine Weise auch außerhalb von mir, in anderen Wesen, ja sogar in den Atomen. Der Impuls, von dem mein Herz sich lenken lässt, wirkt hinaus in den weiten Raum um mich herum und in die Räume eines jeden Atoms meines Körpers hinein. Meine kleinen Gedanken, denen ich Ausdruck verleihe, sind verbunden mit dem großen Projekt des Daseins, in dem ich aufgenommen bin. Dessen Bedeutung kann ich tatsächlich nachspüren, weil mein Leben darin enthalten ist. Jeder Atemzug, jeder Augenaufschlag ist verbunden mit dem Großen und spiegelt es wider. Wenn die Kraft, von der ich mich bewegen lasse, die der Liebe ist, wird das Echo Liebe sein; sind es Gedanken des Hasses, des Widerwillens, der Enttäuschung, wird Trennung, Abtrennung, die Folge sein.

Die Liebe ist ansteckend. Sie ist schöpferisch, aktiviert Quellen, errät Lösungen, ist das letztendlich Ergänzende, Vollendende. Sie ist uns nahe in ihrer Bewegtheit, geht gleichsam auf den Zehenspitzen an den vordersten Grenzen unseres Bewusstseins entlang. Wir neigen dazu, sie abzuweisen in der Angst, dass sie uns doch nicht stark genug macht, um mit den Katastrophen des Lebens umzugehen. Und doch ist sie das Einzige, das uns bleibt, wenn wir, erschöpft von der ständigen Abwehr der Schläge, die zu uns ausgehen, uns auf uns selbst besinnen und das Offensichtliche erkennen: Die Auflösung der Schwierigkeiten ist nur in uns selbst möglich. Kein anderer kann es für uns tun. Wir erwachen zu unserer Verantwortung. In einer Art „passiver Aktion” geben wir der Kraft in uns Raum, die alles bewegt und die mit unserer Hilfe die zerstörerischen Kräfte der Welt verwandeln kann.

Indem wir die fundamentale Essenz des Lebens durch uns wirken lassen, sind wir imstande, alles zu verwandeln – und den Bogen aufzuspannen, der uns nach Hause führt.

 

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Datum: April 20, 2018
Autor: Mariaberica Buzzaccarini (Italy)
Foto: Silvio Casson

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